Ernst J. Kiphard: Die Grundlagen der Psychomotorik


Buch: Psychomotorische Elementarerziehung

Der Bewegung kommt gerade im frühen Kindesalter eine Schlüsselrolle für die gesamte Persönlichkeitsentwicklung zu. Das heisst, Entwicklungsfortschritte oder auch Entwicklungsverzögerungen im Bewegungsbereich wirken sich - je nachdem - positiv oder negativ auf die anderen Persönlichkeitsbereiche aus. Das gilt insbesondere für die emotional-soziale, die perzeptiv-kognitive und sprachliche Entwicklung. Diese ganzheitliche Sichtweise bildet die Grundlage der Psychomotorik in ihren pädagogischen und therapeutischen Anwendungsfeldern. Anders als bei der Leibesübung bzw. Sportpädagogik geht es hier primär nicht um motorische Leistung und Leistungssteigerung in einzelnen Sporttechniken. In der Psychomotorik verbessern die Kinder auf spielerisch-experimentierende Weise zwar auch ihre Geschicklichkeit. Dies ist jedoch niemals Selbstzweck. Bewegungserfahrungen und -verbesserungen stehen letztlich immer im Dienste einer holistischen Persönlichkeitsentwicklung.

Es ist eminent wichtig, dass die späteren Psychomotorik-Therapeutinnen neben einer fundierten theoretischen Ausbildung vielfältige hautnahe und erlebnisreiche Körper- und Bewegungserfahrungen machen. Nur so sind sie in der Lage, die verschiedenen Lehrinhalte in ihrer typischen psychomotorischen Methodik und Vermittlungsweise an die Kinder weiterzugeben.
Was sind nun die Hauptmerkmale der psychomotorischen Arbeitsweise?
Statt der im Sportunterricht typischen Fremdbestimmtheit durch Übungsanweisungen und Korrekturen, statt des üblichen Vor- und Nachmachens, handeln die psychomotorisch geförderten Kinder selbstbestimmt. Dabei charakterisieren Freude am Tun, am Ausprobieren, Entdecken und am kreativen individuellen Lösen von Bewegungsproblemen die Atmosphäre. Die Erwachsenen nehmen sympathisierend am Geschehen Anteil, sie ermutigen und bestärken die Kinder in jeder Weise.

Die psychomotorisch orientierte Pädagogik und Therapie will die Kinder so weit wie möglich eigenverantwortlich handlungsfähig machen. Dabei ist es in der heutigen Zeit dringend notwendig, ethische Werte wie Anständigkeit, Ehrlichkeit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit zu vermitteln. Dazu kommen soziale Tugenden wie Bescheidenheit, Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft, Dankbarkeit, Kameradschaft und Freundschaft. Das Computerzeitalter, in dem wir leben, hat zur Isolation der einzelnen Individuen, vor allem der Kinder, geführt. Viele Kinder entwickeln sich zwangsläufig zu kleinen Egoisten, denen das Eigenwohl hoch über dem Allgemeinwohl steht. Hier erfüllt die Psychomotorik eine überaus wichtige pädagogische Funktion, indem sie diese Kinder über positive Gemeinschaftserlebnisse sozial sensibel macht.

Ernst J. Kiphard

 


 

 

Veröffentlichungen - Ernst J. Kiphard publizierte über 200 wissenschaftliche Beiträge in Fachzeitschriften und -büchern 

 

Bücher - Ernst J. Kiphard war Autor und/oder Herausgeber von 16 Fachbüchern, die in unzählige Sprachen übersetzt wurden 

 

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