Filmprojekt «Herr Professor Clown" mit Ernst J. Kiphard



 

„... das ist eine tolle Entwicklung. Ich habe manchmal zu meiner Frau gesagt, ich habe einen runden Schweizerkäse angerollt. Inzwischen hat er sich verbreitet. Die Idee ist mit Leben gefüllt worden und viele junge oder ältere junggebliebene Kolleginnen und Kollegen haben sie weitergetragen. Es war kein festgelegter Prozess der bestimmten Gesetzen folgte. Es war immer ein offenes, dynamisches Geschehen. Es ging immer um die Kinder ...“

Ernst J. Kiphard, 1998
in einem Interview für den Film «Herr Professor Clown»

 


Vorspann

Vor Jahren, anlässlich der Gestaltung eines Films über Suzanne Naville, der Pionierin der Psychomotoriktherapie in der Schweiz, lernten wir Jonny Kiphard kennen. Bis dahin war er uns nur aus seinen Büchern bekannt. In einem spannenden und ausführlichen Interview schilderte er uns anlässlich unseres Besuchs bei ihm in Frankfurt unter anderem die Entwicklung der Psychomotorik in Deutschland. Seine zuvorkommenden Art, seine Fähigkeiten die Psychomotorik auf den Punkt zu bringen und sein feiner Humor haben uns tief beeindruckt und berührt.

1997 lud die Abteilung Psychomotorik des Heilpädagogischen Seminars Jonny Kiphard zu einem Workshop und Clownkurs nach Zürich ein. Ein Team der Television Universität Zürich dokumentierte diese unvergesslichen Kurstage. Jonny äusserte danach den Wunsch aus diesem Videomaterial einen Film über seine Arbeit mit Studierenden zu gestalten. Uns, d.h. René Senn von der TV-Abteilung der Universität Zürich und ich, Brigitte Wachter, Dozentin am Heilpädagogischen Seminar Zürich, faszinierte diese Aufgabe und wir machten uns an die Arbeit.

Die Erkenntnisse meiner umfangreichen Recherche und das umfangreiche Archivmaterial erweiterten rasch die Zielsetzung des Filmes; wir beschlossen eine ausführliche Dokumentation über das Leben und Wirken von Jonny Kiphard an die Hand zu nehmen. Finanzierungsschwierigkeiten verzögerten dann das Projekt immer wieder - es drohte gar zu scheitern. Wir verzichteten aber bewusst auf finanzielle Mittel diverser deutscher Sponsoren, denn Jonny wollte im Film ohne Konzessionen das sagen, was ihm wichtig erschien und wir wollten unvoreingenommen, ohne Rücksichtnahmen auf die Psychomotorikszene in Deutschland, unser Projekt in unserem Sinne realisieren. Den Schwierigkeiten zum Trotz gelang es uns dann mit privat aufgebrachten Mitteln das Ganze trotzdem zu einem guten Ende zu führen.

Jonny Kiphard und Mitarbeiter des Kiphardzentrums in Bonn unterstützten und motivierten uns immer wieder, das Projekt, trotz Hürden, weiterzuverfolgen. Zudem ermöglichte die TV-Abteilung der Universität Zürich mit der Benutzungsmöglichkeit der technischen Infrastruktur die Realisierung des Projektes.

2001 feierten wir mit dem Film «Herr Professor Clown – Ernst J. Kiphard, Vater der deutschen Psychomotorik» im Kiphardzentrum in Bonn endlich die Premiere. Die 45-minütige Videoproduktion zeigt collageartig die Psychomotorik, die Jonny Kiphard gelebt und gelehrt hat und vermittelt einen kleinen Einblick in sein facettenreiches Tun und Wirken.

2013 zeichnete uns die Stiftung Ernst J. Kiphard für unsere Verdienste um die Psychomotorik in Deutschland mit der E. J. Kiphard-Medaille aus.

 

Hauptfilm

 

Prolog

Für den Vater der deutschen Psychomotorik war es eminent wichtig, dass die späteren PsychomotoriktherapeutInnen neben einer fundierten theoretischen Ausbildung auch vielfältige, hautnahe und erlebnisreiche Körper- und Bewegungserfahrungen machen. Er war überzeugt, dass sie nur so in der Lage sind, die verschiedenen Lerninhalte in ihrer typischen psychomotorischen Methodik und Vermittlungsweise an die Kinder weiterzugeben. Ein Schwerpunkt in Kiphards Arbeit war das Zirzensische, zum Beispiel das Jonglieren oder das Zaubern. Kunstfertigkeiten und Artistik in spielerischer Form hatten aus erlebnis- und sozialpädagogischer Sicht für ihn einen hohen Stellenwert.

 

Lebenslauf von Ernst J. Kiphard

Wer war Ernst J. Kiphard? Und was hat der Diplom-Sportlehrer und Universitätsprofessor bewirkt?

Nach dem 2. Weltkrieg erfüllte sich Jonny Kiphard einen Jugendtraum. Er ging zum Zirkus und trat als Trapez-Akrobat und Clown auf. Nach einem Unfall begann er, 30-jährig, Sport, Englisch, Pädagogik und Psychologie an der Sporthochschule und an der Universität Köln zu studieren. Er hatte vor, nach dem Studium eine Artistenschule zu gründen. Die hautnahe Begegnung mit behinderten Kindern während eines Praktikums bewirkte aber dann etwas Entscheidendes. Anstatt Kindern und Jugendlichen am oberen Ende der Leistungsskala Höchstleistungen anzutrainieren, kümmerte er sich fortan um die schwachen und ungeschickten Kinder. So wurde Kiphard im Jahre 1955 als freier Mitarbeiter und ab 1960 auf einer Planstelle an einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie als Bewegungspädagoge und -therapeut tätig. Hier entwickelte er dann, neben motodiagnostischen Tests, die sogenannte 'Psychomotorische Übungsbehandlung'. Nach seiner Promotion 1976 bekam er 1980 einen Ruf als Ordentlicher Professor an die Uni Frankfurt am Main, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1989 in Lehre und Forschung tätig war. 1990 erhielt Ernst J. Kiphard das Bundesverdienstkreuz.

Am 27. Juli 2010 starb der Begründer und Nestor der deutschen Psychomotorik im Alter von 86 Jahren in Rosbach vor der Höhe.

 

Clown

Der Clown, meinte Jonny Kiphard, bewahrt das Paradies der Kindheit in sich. Schon Erich Kästner hat gesagt: Erwachsen werden und doch Kind bleiben, sei das eigentliche Lebensziel. In der Figur des Clowns sei beides erhalten war Kiphard überzeugt; darum können sich Kinder so gut mit ihm identifizieren. Schon zu Beginn der Sechziger Jahre hatte Jonny Kiphard in der westfälischen Jugendklinik in Gütersloh mit Zirkus- und Clownvorstellungen begonnen und gemerkt, dass der Clown mit seiner Tolpatschigkeit von Behinderten als ein Verbündeter erfahren wird. Er entdeckte also schon damals den Clown als Therapeuten.

 

Arbeit mit Kindern

Die psychomotorisch orientierte Pädagogik und Therapie, die Ernst J. Kiphard begründet hat, will die Kinder so weit wie möglich eigenverantwortlich handlungsfähig machen. Statt der im Sportunterricht typischen Fremdbestimmtheit durch Übungsanweisungen und Korrekturen, statt des üblichen Vor- und Nachmachens, handeln die psychomotorisch geförderten Kinder selbstbestimmt. Dabei charakterisieren die Freude am Tun, das Ausprobieren, Entdecken und kreative, individuelle Lösen von Bewegungsproblemen die Atmosphäre.

 

Auswirkungen

Die Grundlagenforschung, die in den Sechziger Jahren in Gütersloh und Hamm durch Kiphard und andere geleistet wurde, blieb nicht ohne Auswirkung: Die Bewegung erhielt Beachtung und Raum - die Psychomotorik fand Einzug in Kindergärten und Schulen. Die Fortschritte, die bei Kindern mit Bewegungsstörungen erzielt wurden, sprachen sich herum. Vielerorts in Deutschland griff man diese Erkenntnisse für die gezielte Entwicklungsförderung von Kindern auf. Es begann sich etwas zu bewegen. Die Überzeugung setzte sich durch, dass eingeschränkte Spiel- und Lebensräume für Kinder sowie zunehmender Fernsehkonsum und Computergebrauch das Bedürfnis nach Bewegungsräumen steigern, die eine ganzheitliche Entwicklung unterstützen können.

Jonny Kiphard verbreitete seine Ideen an zahlreichen Kongressen im In- und Ausland und ist Autor oder Co-Autor von 14 Fachbüchern, die in viele Sprachen übersetzt wurden.

 

Abspann

Jonny Kiphard hat Prozesse in Gang gebracht - ein Netz geknüpft. Möge dieses Netz einerseits viele Kinder einfangen und für die Bewegung begeistern und andererseits Kinder auffangen, für die es nicht selbstverständlich ist, von einem Stuhl zu springen.

 

Brigitte Wachter

 


 

 
 

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  «Herr Professor Clown»

 

Ernst J. Kiphard-Medaille für die Autoren des Films «Herr Professor Clown»

 

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