Über Suzanne Naville



 

«Ich lobe den Tanz, denn er befreit den Menschen von der Schwere der Dinge, bindet den Vereinzelten zu Gemeinschaft. Ich lobe den Tanz, der alles fordert und fördert, Gesundheit und klaren Geist und eine beschwingte Seele».

Augustinus Aurelius, 354-430   

 

 


Suzanne Naville

 


Wurzeln

 

 

Als Kind besuchte Suzanne Naville Rhythmikstunden bei Mimi Scheiblauer. Die bekannte Rhythmik- und Musikpädagogin versuchte den Menschen als Ganzes zu sehen: Hören, Sehen und Bewegen als Einheit. Später, als Suzanne Naville Studentin bei ihr am Rhythmikseminar war, lernte sie Möglichkeiten kennen, Bewegung heilpädagogisch einzusetzen. Diese ganzheitliche Rhythmik beeinflusste nicht nur die junge Studentin prägend, sondern bildete eine starke Wurzel für die Psychomotoriktherapie.

 

 

Andere Impulse erhielt Suzanne Naville von Mary Wigmann, die der expressionistischen Tanzform endgültig zum Durchbruch verhalf. Sie führte Suzanne Naville anlässlich der berühmten Sommerkurse im Rigiblicktheater in Zürich in diese neue Welt des Ausdrucktanzes ein. Die Art des freien Tanzes ist immer Quelle der Psychomotoriktherapie geblieben.

 

  Neben Mimi Scheiblauer und Mary Wigmann beeinflusste Grete Luzi den Werdegang von Suzanne Naville entscheidend. Bei der ehemaligen Ausbildnerin der Medauschule in Berlin lernte Suzanne Naville eine Bewegung zu variieren, d.h. die gleiche Bewegung in den verschiedensten Variationen zu erfahren und zu gestalten. Suzanne Naville prägte den Satz: «In der Variante liegt die therapeutische Chance» und liess diese Erkenntnis immer in die Psychomotoriktherapie einfliessen.

 

  Als junge Frau sass Suzanne Naville in Vorlesungen von Jean Piaget in Genf und hörte fasziniert seinen Vorträgen über seine Forschungsarbeiten zu. Die Erkenntnisse Piagets über die Intelligenzentwicklung von der sensomotorischen zur kognitiven Fähigkeit des Kindes lieferten wesentliche Grundlagen für den Aufbau der Psychomotoriktherapie.

 


Aufbau

 

  In den 60iger Jahren führte die Arbeit Suzanne Navilles Gatten von Zürich nach Genf - für sie ein Glücksfall. Nach Abschluss der Schweizerischen Diplomausbildung für Tanz und Gymnastik und der ersten Berufserfahrung bei der Pro Juventute wollte sie weiterhin mit Kindern arbeiten. Sie meldete sich deshalb beim Service Médico-Pédagogique und fand sofort Arbeit im Centre d`Observation «la Petite Ourse», einer Schule für verhaltensauffällige, lernschwache und psychisch gestörte Kinder.

 

  Zusammen mit dem Neurologen und Psychiater Julián de Ajuriaguerra schuf sie, aufbauend auf den Forschungsarbeiten der Pariser Kinderpsychiatrie, im Verlauf der Jahre die Grundlagen zu einer neuen Therapie, der Psychomotoriktherapie in der Schweiz. Teilgebiete der Heilpädagogik, Entwicklungspsychologie, Kinderpsychiatrie und Kunst fanden zusammen - es entwickelte sich ein neuer Beruf.

 

  1964 begann der erste offizielle Studienlehrgang für Psychomotoriktherapie (réeducation de la psychomotricité) an der Universität in Genf. Suzanne Naville bekam nach Abschluss aller Prüfungen, zusammen mit den Studierenden, das erste Schweizerische Diplom.

 

  1969 musste Suzanne Navilles Gatte aus beruflichen Gründen nach Zürich zurück; sie ging mit und nahm im Kinderspital ihre Tätigkeit als Psychomotoriktherapeutin auf. Immer mehr Kinder wurden zur Behandlung angemeldet; es brauchte mehr Psychomotoriktherapeutinnen und Psychomotoriktherapeuten. Aber wo sollten diese ausgebildet werden? Die Suche führte Suzanne Naville ans Heilpädagogische Seminar in Zürich.

 

  1970 begann am HPS, nicht ohne Zweifel und Skepsis, der erste Ausbildungskurs. Mit jedem neuen Kurs wuchs die Anzahl der Stunden, die Fächerpalette wurde reicher und bunter. Neben den theoretischen Vorlesungen wurden Ansätze der verschiedenen Körpertherapien, tänzerische Elemente und gestalterische Aspekte vermittelt. Die prägendsten Einflüsse brachte aber Trudi Schoop in die Ausbildung.

 

  Trudi Schoop war eine Pionierin des Ausdruckstanzes und entwickelte in Amerika die ersten Formen der Tanztherapie. Jedes Jahr kam sie als Gastdozentin. Die Begegnung mit dieser genialen Tanzenthusiastin und die innige Freundschaft, die daraus entstand, waren für Suzanne Navilles Berufsleben von entscheidender Bedeutung und führte sie wieder intensiv zum Tanz zurück.

 

  Suzanne Naville entwickelte in den folgenden Jahren eine neue Ausbildung in der deutschen Schweiz und leistete zusammen mit Prof. Dr. Alphons Weber riesige Aufbauarbeit, um den Beruf zu etablieren.

 


Psychomotoriktherapie am Heilpädagogischen Seminar Zürich

 

  26 Jahre leitete und gestaltete Suzanne Naville als Abteilungsleiterin die Ausbildung am Heilpädagogischen Seminar in Zürich. Bewegung, Spiel und Musikimprovisation waren immer zentrale Elemente der Psychomotoriktherapie. Spielerisch kann das Kind die Freude an der Bewegung finden oder wiederfinden. Die Psychomotoriktherapie will die Wahrnehmungsfähigkeit des Kindes und seine Kontakt- und Handlungsfähigkeit fördern. Spielerische Elemente und gezielte Übungen verhelfen ihm zu gesteuerten Bewegungen und damit zu seelischem Wohlbefinden. Suzanne Naville erkannte früh, dass psychomotorische Störungen nicht messbar sind. Nur durch eine ganzheitliche Betrachtung können sie nach und nach erfasst werden. Zu diesem Zweck hat sie klinische Beobachtungstests entwickelt. Durch sie lässt sich ein breites Spektrum diagnostischer Angaben erstellen in den Bereichen Grob-, Fein- und Graphomotorik, allenfalls auch in der Handdominanz. Diese umfassende, sorgfältige Analyse bildete die Grundlage für das weitere Vorgehen und diente als Basis für den fundierten Einstieg in die eigentliche therapeutische Arbeit mit dem Kind. Zusätzlich waren diese Verfahren die Grundlage für Verhandlungen mit staatlichen und schulpolitischen Geldgebern.

 

  An Vorträgen und Fortbildungen knüpfte sie Kontakt zu Fachkollegen im Ausland. «Durch Begegnungen im Ausland fühlte ich mich gefordert und aufgefordert, meine Arbeit zu überdenken und Neues zu entwickeln», sagt sie im Film «Bewegung ist mehr als Bewegen, Suzanne Naville und die Entwicklung der Psychomotorischen Therapie in der Schweiz» (1995).

 


Ausblick

 

  Suzanne Naville hat all die Jahre vieles in Bewegung gebracht. Wie wünscht sie sich die weitere Entwicklung? «Die Psychomotoriktherapie sollte unbedingt drei wichtige Aspekte beachten. Erstens die Philosophie eines Menschenbildes. Dann die Bildhauerei, die immer wieder etwas Neues macht, aber den inneren Kern behält. Und all dies mit einer gewissen tänzerischen Leichtigkeit, und wenn möglich mit Heiterkeit und Humor».
   


 
Brigitte Wachter

 


 
 

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  «Bewegung ist mehr als Bewegen»

 

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